Liebe Pädagoginnen und Pädagogen,

wir freuen uns, dass Sie Interesse an unserem Projekt

Deutsches FASD KOMPETENZZENTRUM Bayern

haben!

Im Folgenden haben wir für Sie zusammengefasst:

  1. FASD im pädagogischen Alltag (KiTa und Schule)
  2. Lernhilfen
  3. Tipps für den Alltag
  4. Netzwerkpartner
  5. Literatur (Auswahl)


Wenn Sie Fragen haben, können Sie sich gerne an uns wenden: fasd@med.uni-muenchen.de.

Ihr Team des Deutschen FASD KOMPETENZZENTRUM Bayern

FASD im pädagogischen Alltag (Kita und Schule)

Durch die alkoholinduzierte Gehirnschädigung und die damit einhergehenden Beeinträchtigungen stellt der Alltag für und mit Kindern mit einer Fetalen Alkoholspektrumstörung häufig eine besonders große Herausforderung dar. Dies kann sich im Alltag in folgenden Bereichen zeigen:

  • Lern- und Merkfähigkeit
  • Sprache
  • Aufmerksamkeit
  • Feinmotorik und Koordination
  • Rechenfertigkeiten
  • Räumlich-visuelle Wahrnehmung oder räumlich-konstruktive Fähigkeiten
  • Exekutive Funktionen (Handlungs-Planung und Ausführung, Transferleistungen, erfahrungsbasiertes Lernen)
  • Soziale Fertigkeiten und Verhalten (z. B. Frustrationstoleranz, Emotionsregulation, Impulskontrolle)

Kleine Interventionen können hilfreich sein, um eine große Wirkung zu erzielen. Wichtig ist es, Erfolgserlebnisse zu schaffen und Frustrationen zu vermeiden.

Im Folgenden haben wir Hilfen zusammengefasst, die gut in den pädagogischen Alltag integriert werden können.

Strukturierung

Da es Kindern und Jugendlichen mit FASD häufig schwerfällt, ihren Alltag selbst sinnvoll zu strukturieren, ist eine strukturgebende Betreuung hilfreich. Eine feste Tagesstruktur mit Routinen und Ritualen erleichtert die Alltagsbewältigung. Führen Sie, unter Berücksichtigung des Lerntyps und der individuellen Lernvoraussetzungen, einen festen Tages- bzw. Lernplan oder eine Checkliste für das von FASD betroffene Kind ein. Reflektieren sie unmittelbar und kontinuierlich, welche Etappen bereits erreicht wurden und welche folgen.

Wichtig:

  • Feste Abläufe und Routinen für Halt und Sicherheit
  • Anfertigung eines Tages- bzw. Lernplans oder einer Checkliste
  • Unterteilung von Handlungsabläufen und Visualisierung einzelner Handlungsschritte
Regeln und Konsequenzen

Um Kindern bei der Einhaltung von vereinbarten Regeln zu helfen, können das Festhalten der Regeln in bildlicher und/oder schriftlicher Form als regelmäßige Erinnerungen helfen. Das Setzen kleinschrittiger und realistisch erreichbarer Ziele wirkt ebenfalls unterstützend bei der Regelumsetzung.

Bei Regelbrüchen sollte auf Schimpfen und Bestrafungen möglichst verzichtet werden, um Frustrationserlebnisse zu vermeiden. Auch kann dadurch das unerwünschte Verhalten des Kindes ungewollt noch verstärkt werden, da das Kind auf diese Weise die Aufmerksamkeit der pädagogischen Bezugsperson in hohem Maße erhält.

Oft haben Kinder mit FASD Schwierigkeiten, Zusammenhänge zwischen Strafen und Fehlverhalten wahrzunehmen, wodurch Bestrafungen nicht zu einem Lernprozess führen. Eine unmittelbare Reflexion von unerwünschtem Verhalten oder Fehlverhalten sowie das Erarbeiten von positiven alternativen Lösungsstrategien stärken die Selbstwirksamkeit des Kindes und unterstützen den Prozess des Erlernens neuer und erwünschter Verhaltensweisen.

Stellen Sie mit dem Kind einen gemeinsam erarbeiteten Regel-Plan auf. Beziehen Sie hierfür auch analoge Materialien wie Bildkarten mit ein. Versuchen Sie, Regeln durch häufige Wiederholungen zu etablieren.

Wichtig:

  • Einfache, klare Regeln (festgehalten in schriftlicher und/oder bildlicher Form)
  • Klare und unmittelbare Kommunikation bei Regelbrüchen
  • Vermeidung von Bestrafung/Schimpfen
  • Setzen von kleinschrittigen und realistischen Zielen, um Frustrationserlebnisse zu vermeiden
Kommunikation

Viele Kinder mit FASD verfügen über gute expressive sprachliche Fähigkeiten, sind jedoch im Bereich des Sprachverständnisses stark eingeschränkt. Doppeldeutige, sarkastische oder ironische Bemerkungen sowie Aussagen mit übertragener Bedeutung können nicht richtig interpretiert werden. Kinder mit FASD sind auf eine leichte und möglichst konkrete Sprache angewiesen, um zu erfassen, welche Botschaft ihnen ihr Gegenüber sendet.

Als hilfreich für einen gelungenen Kontakt des pädagogischen Gegenübers zum an FASD erkrankten Kind haben sich eine wertschätzende Haltung, kurze, klare, direktive Aufträge und positiv formulierte Ziele erwiesen. Auch hier gilt es, Erwünschtes sowie Unerwünschtes unmittelbar zu reflektieren und alternative Lösungen anzubieten.

Wichtig:

  • Einfache, kurze Sätze
  • Blickkontakt
  • Klare Grenzen
  • Wertschätzende Haltung
  • Konkrete Arbeitsaufträge
Hypersensitivität und Aufmerksamkeit

Kinder mit FASD reagieren häufig sehr sensibel auf Reize, wodurch bereits kleine Störfaktoren zu großen Irritationen führen können. Neben Geräuschen zählen zu den Reizen Licht, Temperatur, Gerüche und taktile Sensationen. Insbesondere in Lernsituationen ist eine reizarme Umgebung erforderlich. Die Hypersensitivität der Kinder mit FASD beruht ebenso wie die bei Überreizung auftretende Aufmerksamkeits- und Selbstregulationsstörung auf der alkoholinduzierten Schädigung bzw. Entwicklungsstörung des Gehirns (z.B. präfrontaler Kortex).

Wichtig:

  • Ablenkungen soweit wie möglich reduzieren z.B. durch Kopfhörer, Buchstütze zum Nachbarn als Sichtschutz, lockere Kleidung, Licht ohne Blendung etc.
  • Nur das notwendige Arbeitsmaterial auf dem Schreibtisch platzieren
  • Arbeitsblatt bis auf die aktuelle Aufgabe abdecken
Entspannung und Stressreduktion

Um eine Überreizung zu verhindern und erfolgreiches Lernen zu gewährleisten, sind proaktiv eingeplante Pausen (auch zwischen den normalen Pausenzeiten z.B. in der Schule) sinnvoll.

Dabei kann es einigen Kindern mit FASD helfen, sich für diese Auszeiten in eine reizarme und begrenzende Umgebung, wie z.B. eine Deckenhöhle oder ein Tipi, zurückzuziehen. An einem solchen Rückzugsort können sie Anspannungen lösen und Entspannung fördern.

Andere Kinder mit FASD benötigen in ihren regelmäßigen Pausenzeiten körperliche Betätigungen, um „herunter zu kommen“. Besonders hilfreich sind repetitive Bewegungen wie z.B. Schaukeln, Trampolinspringen oder auch das Schlagen gegen einen Box-Sack.

Wichtig:

  • Rückzugsecke für geplante Auszeiten oder bei akuter Überforderung
  • Repetitive sportliche Betätigung zur Entspannung (Schaukel, Boxsack, Trampolin, …)
  • Notfall-Tools (was hilft mir bei Stress?) finden: z.B. Eiswürfel lutschen, Brause, Schaukeln, Knetball etc.
Verhalten und Emotionen

Die alkoholtoxische Schädigung des Gehirns führt dazu, dass ein Kind mit einer FASD nur schwer in der Lage ist, seine Gefühle zu erkennen, Impulse zu kontrollieren und sich in Erregungszuständen zu regulieren. Bedürfnisse müssen meist unmittelbar befriedigt werden, Frustrationstoleranz ist kaum vorhanden. Auch haben die Kinder oft ein geringes Repertoire an Lösungsstrategien.

Daher sollten mit den Kindern alternative Ausdrucksmöglichkeiten erarbeitet werden z.B. die nonverbale Kommunikation des emotionalen Zustandes anhand von Bildkarten. Dadurch können Irritationen oder Überforderungen vermieden werden.

Ziel ist es, mit dem Kind seine Alltagsfunktionalität zu verbessern und Methoden zu finden, die einem Zustand der Über-Erregung vorbeugen.

Wichtig:

  • Hilfreiche Notfalltools, die Erregungszustände unterbrechen können: z.B. Eiswürfel lutschen, schaukeln, Knetball, Brause, …
  • Möglichkeiten zur non-verbalen Vermittlung von Gefühlen bieten (Malen, Kneten, Tanzen, Boxen, …)
  • Unterstützung bei der verbalen Vermittlung von Gefühlen (z.B. „Bist du gerade traurig?“)

Lernhilfen

Lernen ist ein komplexer Vorgang, der Aufmerksamkeit, Informationsverarbeitung und Gedächtnisleistung erfordert. Daher können Kinder mit FASD beim Lernen schnell an ihre Grenzen geraten und frustriert werden. Oftmals benötigen sie beim Lernen von neuen Inhalten oder Abläufen sehr viele Wiederholungen, bis diese verinnerlicht werden.

Ebenso kann es aufgrund der alkoholtoxischen Gehirnschädigung vorkommen, dass Gelerntes wieder vergessen wird (z.B. nach dem Wochenende) und neu erlernt werden muss. Das plötzliche Vergessen wird von vielen PädagogInnen als bockiges, vermeidendes oder provokatives Verhalten des Kindes fehlgedeutet. Grund ist jedoch die pränatale alkoholtoxische Gehirnschädigung und daraus resultierend das Unvermögen, nicht hingegen der Unwille des Kindes.

Um Kindern mit FASD das Lernen zu erleichtern, hilft es, Lerninhalte in unterschiedlichen Formen, entsprechend ihrem Lerntyp, anzubieten (z.B. auditiv, visuell oder sensomotorisch). Zum Teil ist auch eine Kombination mehrerer Lernformen erfolgreich. Kleinschrittige, dem individuellen Leistungsniveau und der Exekutivfunktionsstörung angepasste Unter-Lernziele und regelmäßige Pausenzeiten fördern Lernerfolge und beugen Überforderung und Misserfolgen vor. Kleine Lerngruppen bzw. bei einigen Kindern auch eine 1:1-Betreuung können ebenfalls zu einem gelungenen Lernprozess beitragen.

Im pädagogischen Alltag hat sich gezeigt, dass es für eine einzelne pädagogische Fachkraft oft schwierig ist, die individuellen Bedürfnisse des Kindes mit FASD kontinuierlich zu berücksichtigen.

Als hilfreiches Lernsetting für ein Kind mit einer Fetalen Alkoholspektrumstörung haben sich aus diesem Grund alternative, integrative oder inklusive Betreuungs- bzw. Lernkonzepte erwiesen. Diese sollten aber unbedingt eine strukturierte Lernatmosphäre anbieten.

Um den Kreis der Bezugspersonen zu erweitern, den Lernprozess des Kindes mit FASD individuell zu begleiten und die Anpassung des pädagogischen Alltags für das Kind sicherzustellen, kann es sinnvoll sein, Individual- bzw. Schulbegleiter zu installieren. Dies kann mit Hilfe eines Gutachtens ermöglicht werden, in welchem der Hilfebedarf des Kindes klar definiert wird.

Wichtig:

  • Prinzip der kleinen Schritte (Förderung der Motivation durch das schrittweise Erreichen realistischer Teilziele)
  • Häufige Wiederholung behandelter (kleiner) Lerninhalte
  • Berücksichtigung des Lerntyps (visuell, auditiv, sensomotorisch)
  • Regelmäßige Pausenzeiten (körperliche Betätigung, Entspannung)
  • Individuelle Lernatmosphäre
  • Unterstützung durch Individual- oder Schulbegleiter
  • Dem individuellen Leistungsniveau angepasste Lernatmosphäre

Tipps für den Alltag

Wir haben zu verschiedenen wichtigen Themen rund um FASD Informationen für Sie zusammengetragen. Unter diesem Link können Sie Experten-Videos, Häufige Fragen & Antworten und Eltern-Inputs ansehen. Die Themen können sowohl für Sie als Pädagoginnen und Pädagogen als auch für Familien interessant sein.

Netzwerkpartner

Um die Diagnostik, Förderung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit FASD adäquat und effektiv zu gestalten, benötigt die betroffene Familie Fachkräfte verschiedener Berufe und verschiedener Institutionen. Unter diesem Link finden Sie relevante Netzwerkpartner.

Literatur (Auswahl):

  • „Fetale Alkoholspektrumsstörungen – Diagnostik, Therapie, Prävention“. Autoren: Mirjam N. Landgraf, Tanja Hoff. ISBN: 3170243209
  • „Fetale Alkoholspektrumstörungen – S3 Leitlinie zur Diagnostik“. Autoren: Mirjam N. Landgraf, Florian Heinen. ISBN: 9783170321281
  • „FASD-Fetale Alkoholspektrumstörung/ Auf was ist im Umgang mit Menschen mit FASD zu achten? Ein Ratgeber“. Autoren: Annika Thomsen, Gisela Michalowski, Gerhild Landeck, Katrin Lepke. ISBN: 9783824808885
  • „Kugy ist anders“. Kugy ist anders – der Film – YouTube. Redaktion: FASD Deutschland e. V.
  • „Fetale Alkoholspektrumstörung und dann? Ein Handbuch für Jugendliche und junge Erwachsene“. Herausgeber: Der Beauftragte der Bundesregierung für Drogen- und Suchtfragen. Redaktion: Evangelisches Kinderheim Sonnenhof e. V. Best.-Nr: BMG-D-11010
  • „FAS-Erste-Hilfe-Koffer – Hilfen und Tipps zur Erleichterung des Alltags mit einem alkoholgeschädigten Kind oder einem Kind mit ähnlichen Verhaltensauffälligkeiten“. Autoren: Hannah Schmidt, Michaela Fietzek, Manfred Holodynski, Reinhold Feldmann. ISBN: 3824810026
  • „Fetale Alkoholspektrumstörungen (FASD) bei Kindern und Jugendlichen – Praxisbuch zur Teilhabe Ermöglichung“. Autor: Jörg Liesegang. ISBN: 978-3-621-28787-6
  • „Mehrperspektivisches Arbeiten in der Kinder- und Jugendhilfe/ Steven M. ein Junge mit FASD“. Autoren: Annemarie Jost, Jan V. Wirth (Hrsg.). ISBN: 9783170320970
  • „Das fetale Alkoholsyndrom. Wie können Pflegefamilien mit einem an FASD erkranktem Kind unterstützt werden?“. Autor: Kai Holtkamp. ISBN: 9783640788699
  • „Ein (Pflege-)Kind mit FASD – und glücklich!“. Autoren: Sabine Stein, Susanne Falke. ISBN: 9783824812165
  • „Unser Familien-Gesprächsbuch – zum Thema Fetales Alkohol Syndrom (FAS)“. Autor: Jörg Liesegang. ISBN: 3752988045
  • „Schulkinder mit FASD – Fatale Katastrophe oder fantastische Herausforderung“. Autorin: Anne-Meike Südmeyer. ISBN: 3824812894
  • „FASD und Schule – eine Handreichung zum Umgang mit Schülern mit Fetaler Alkoholspektrumstörung“. Autor: Anne Schlachtberger. ISBN: 3824812142
  • „Trying differently rather than harder“. Autorin: Diane Malbin. ISBN: 0972953205
  • „Fetal alcohol spectrum disorders: Parenting a child with an invisible disability“. Autoren: Julia Brown, Dr. Mary Mather. ISBN:9781500851880