Diagnose

Im Folgenden haben wir für Sie zusammengefasst:

  1. Hintergrund-Informationen
  2. Orientierung bei der FASD Abklärung
  3. Diagnostische Kriterien nach S3 Leitlinie
  4. SPZ mit FASD Diagnostik in Deutschland
  5. Kernelemente eines FASD-Diagnose-Briefes
  6. Literatur (Auswahl)


Wenn Sie Fragen haben, können Sie sich gerne an uns wenden: fasd@med.uni-muenchen.de.

Ihr Team des Deutschen FASD KOMPETENZZENTRUM Bayern

Hintergrund – Informationen

Etwa ein Drittel aller Frauen in Deutschland trinkt Alkohol während der Schwangerschaft.

Kein Zeitpunkt und keine Menge an Alkohol sind in der Schwangerschaft erwiesenermaßen unschädlich für das werdende Kind.

Im Mutterleib kann die Exposition gegenüber Alkohol, einem der schädlichsten Umweltgifte, zu einer toxischen, biologisch irreversiblen Gehirnschädigung beim Kind führen.

Daraus können vielfältige und schwerwiegende Beeinträchtigungen in der körperlichen und geistigen Entwicklung des Kindes, im Verhalten und weiterführend in der selbstständigen Lebensbewältigung entstehen.

Diese Beeinträchtigungen werden als Fetale Alkoholspektrumstörungen – FASD (fetal alcohol spectrum disorders) – zusammengefasst. Zu den FASD zählen das Fetale Alkoholsyndrom (FAS), das partielle Fetale Alkoholsyndrom (pFAS) und die alkoholbedingte entwicklungsneurologische Störung (ARND-alcohol related neurodevelopmental disorder).

Mindestens 1% aller Kinder kommen mit einer FASD auf die Welt – damit ist die FASD die häufigste mit Geburt bestehende chronische Krankheit in Deutschland.

Sie kann durch Alkoholabstinenz in der Schwangerschaft vollständig vermieden werden.

Alkoholkonsum in der Schwangerschaft und dessen Folgen beim Kind sind dabei nicht das Problem einer einzelnen Frau, sondern eine gesellschaftliche Herausforderung.

Orientierung bei der FASD Abklärung

Unter diesem Link können Sie als ÄrztInnen und PsychologInnen anhand Ihrer Eingaben in die WebApp
erfahren, ob – basierend auf den S3 Leitlinien-Kriterien – Hinweise auf eine FASD beim Kind
vorliegen oder nicht und welches Procedere wir empfehlen. Zusätzlich können Sie die FASD Complexity Signature ausfüllen und Ihre Dokumentation downloaden oder ausdrucken.

Diagnostische Kriterien nach S3 Leitlinie

Die frühzeitige und korrekte Diagnosestellung FASD ist die Grundlage für das Krankheitskonzept und somit das Krankheitsverständnis sowie die Voraussetzung für die Planung einer für das Störungsbild adäquaten und individuell angepassten Therapie.

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung und das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) initiierten 2010 das Leitlinien-Projekt zum FAS, das 2016 mit der Erstellung einer S3-Leitlinie für die Diagnose FASD abgeschlossen wurde – siehe auch http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/022-025.html.
Die Leitlinienentwicklung wurde der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin übertragen und inhaltlich der Gesellschaft für Neuropädiatrie zugewiesen. Leitlinienkoordination und Autorenschaft übernahmen Dr. med. Dipl.-Psych. Mirjam N. Landgraf und Prof. Dr. med. Florian Heinen vom LMU Klinikum München, Dr. von Haunersches Kinderspital mit seinem integrierten Sozialpädiatrischen Zentrum iSPZ Hauner (www.ispz-hauner.de).
Die Leitliniengruppe bestand aus RepräsentantInnen des Bundesministeriums für Gesundheit, der relevanten Fachgesellschaften und Berufsverbände, der Patientenvertretung FASD Deutschland e.V. und namhaften weiteren FASD-Experten.
Die Literatur der letzten 10 Jahre wurde evaluiert und hinsichtlich ihrer methodischen Qualität bewertet. Die daraus resultierenden evidenzbasierten Ergebnisse wurden in den multidisziplinären Konsensuskonferenzen hinsichtlich klinischer Relevanz, ethischen Hintergründen und Praktikabilität diskutiert, modifiziert und konsentiert. Die konsentierten diagnostischen Empfehlungen wurden daraufhin formell verabschiedet.

In der nachfolgenden Tabelle sind die bei den verschiedenen Fetalen Alkoholspektrumstörungen typischerweise auftretenden phänotypischen Auffälligkeiten und Symptome in der jeweiligen diagnostischen Säule als Orientierungshilfe zusammengefasst (SD-standard deviation-Standardabweichung). 
Eine Orientierungshilfe zur Abklärung von FASD bei Kindern und Jugendlichen finden Sie in Form einer interaktiven WebApp als Extra-Punkt unter dem Menü „Fachkräfte“.

Die exakten Kriterien der S3 Leitlinie zur Diagnose der FASD bei Kindern und Jugendlichen finden Sie im Text darunter [1-3].

Auffälligkeiten in Domäne: Fetales Alkoholsyndrom – FAS Partielles Fetales Alkoholsyndrom – pFAS Alkoholbedingte entwicklungs-neurologische Störung – ARND
Wachstum:

Geburts- oder Körpergewicht
oder
Geburts- oder Körperlänge
oder
Body Mass Index ≤ 10. Perzentile
mind. 1 Auffälligkeit
Gesicht:

1) kurze Lidspalten ≤ 3. Perzentile bzw. mind. 2 SD unter der Norm
2) verstrichenes Philtrum (Grad 4 oder 5 Lip-Philtrum Guide)
3) schmale Oberlippe (Grad 4 oder 5 Lip-Philtrum Guide)
alle 3 Auffälligkeiten mind. 2 von 3 Auffälligkeiten
Zentrales Nervensystem (ZNS):

funktionell und strukturell
globale Intelligenzminderung (mindestens 2 SD unter der Norm)
oder
signifikante kombinierte Entwicklungsverzögerung ≤ 2 Jahre

oder/und
signifikante Beeinträchtigung in mind. 3 Bereichen:
  • Sprache
  • Fein-/Graphomotorik
    oder
    grobmotorische Koordination
  • räumlich-visuelle Wahrnehmung oder räumlich-konstruktive Fähigkeiten
  • Lern- oder Merkfähigkeit
  • exekutive Funktionen
  • Rechenfertigkeiten
  • Aufmerksamkeit
  • soziale Fertigkeiten oder Verhalten
oder/und
Kopfumfang ≤ 10. Perzentile
signifikante Beeinträchtigung in mind. 3 Bereichen (alle folgenden Aufzählungspunkte sind gleichwertige Kriterien):
  • globale Intelligenzminderung (mindestens 2 SD unter der Norm) oder signifikante kombinierte Entwicklungs-verzögerung bei Kindern ≤ 2 Jahre
  • Epilepsie
  • Kopfumfang ≤ 10. Perzentile
Leistung mindestens 2 SD unter der Norm in:
  • Sprache
  • Fein-/Graphomotorik
    oder
    grobmotorische Koordination
  • räumlich-visuelle Wahrnehmung oder räumlich-konstruktive Fähigkeiten
  • Lern- oder Merkfähigkeit
  • exekutive Funktionen
  • Rechenfertigkeiten
  • Aufmerksamkeit
  • soziale Fertigkeiten oder Verhalten
signifikante Beeinträchtigung in mind. 3 Bereichen (alle folgenden Aufzählungspunkte sind gleichwertige Kriterien):
  • globale Intelligenzminderung (mindestens 2 SD unter der Norm) oder signifikante kombinierte Entwicklungs-verzögerung bei Kindern ≤ 2 Jahre
  • Epilepsie
  • Kopfumfang ≤ 10. Perzentile
Leistung mindestens 2 SD unter der Norm in:
  • Sprache
  • Fein-/Graphomotorik
    oder
    grobmotorische Koordination
  • räumlich-visuelle Wahrnehmung oder räumlich-konstruktive Fähigkeiten
  • Lern- oder Merkfähigkeit
  • exekutive Funktionen
  • Rechenfertigkeiten
  • Aufmerksamkeit
  • soziale Fertigkeiten oder Verhalten
Intrauterine Alkoholexposition nicht bestätigt oder bestätigt wahrscheinlich oder bestätigt bestätigt
Auffälligkeiten in Domäne: Fetales Alkoholsyndrom – FAS
Wachstum:

Geburts- oder Körpergewicht
oder
Geburts- oder Körperlänge
oder
Body Mass Index ≤ 10. Perzentile
mind. 1 Auffälligkeit
Gesicht:

1) kurze Lidspalten ≤ 3. Perzentile bzw. mind. 2 SD unter der Norm
2) verstrichenes Philtrum (Grad 4 oder 5 Lip-Philtrum Guide)
3) schmale Oberlippe (Grad 4 oder 5 Lip-Philtrum Guide)
alle 3 Auffälligkeiten
Zentrales Nervensystem (ZNS):

funktionell und strukturell
globale Intelligenzminderung (mindestens 2 SD unter der Norm)
oder
signifikante kombinierte Entwicklungsverzögerung ≤ 2 Jahre

oder/und
signifikante Beeinträchtigung in mind. 3 Bereichen:
  • Sprache
  • Fein-/Graphomotorik
    oder
    grobmotorische Koordination
  • räumlich-visuelle Wahrnehmung oder räumlich-konstruktive Fähigkeiten
  • Lern- oder Merkfähigkeit
  • exekutive Funktionen
  • Rechenfertigkeiten
  • Aufmerksamkeit
  • soziale Fertigkeiten oder Verhalten
oder/und
Kopfumfang ≤ 10. Perzentile
Intrauterine Alkoholexposition nicht bestätigt oder bestätigt

Auffälligkeiten in Domäne: Partielles Fetales Alkoholsyndrom – pFAS
Wachstum:

Geburts- oder Körpergewicht
oder
Geburts- oder Körperlänge
oder
Body Mass Index ≤ 10. Perzentile
Gesicht:

1) kurze Lidspalten ≤ 3. Perzentile bzw. mind. 2 SD unter der Norm
2) verstrichenes Philtrum (Grad 4 oder 5 Lip-Philtrum Guide)
3) schmale Oberlippe (Grad 4 oder 5 Lip-Philtrum Guide)
mind. 2 von 3 Auffälligkeiten
Zentrales Nervensystem (ZNS):

funktionell und strukturell
signifikante Beeinträchtigung in mind. 3 Bereichen (alle folgenden Aufzählungspunkte sind gleichwertige Kriterien):
  • globale Intelligenzminderung (mindestens 2 SD unter der Norm) oder signifikante kombinierte Entwicklungs-verzögerung bei Kindern ≤ 2 Jahre
  • Epilepsie
  • Kopfumfang ≤ 10. Perzentile
Leistung mindestens 2 SD unter der Norm in:
  • Sprache
  • Fein-/Graphomotorik
    oder
    grobmotorische Koordination
  • räumlich-visuelle Wahrnehmung oder räumlich-konstruktive Fähigkeiten
  • Lern- oder Merkfähigkeit
  • exekutive Funktionen
  • Rechenfertigkeiten
  • Aufmerksamkeit
  • soziale Fertigkeiten oder Verhalten
Intrauterine Alkoholexposition wahrscheinlich oder bestätigt

Auffälligkeiten in Domäne: Alkoholbedingte entwicklungs-neurologische Störung – ARND
Wachstum:

Geburts- oder Körpergewicht
oder
Geburts- oder Körperlänge
oder
Body Mass Index ≤ 10. Perzentile
Gesicht:

1) kurze Lidspalten ≤ 3. Perzentile bzw. mind. 2 SD unter der Norm
2) verstrichenes Philtrum (Grad 4 oder 5 Lip-Philtrum Guide)
3) schmale Oberlippe (Grad 4 oder 5 Lip-Philtrum Guide)
Zentrales Nervensystem (ZNS):

funktionell und strukturell
signifikante Beeinträchtigung in mind. 3 Bereichen (alle folgenden Aufzählungspunkte sind gleichwertige Kriterien):
  • globale Intelligenzminderung (mindestens 2 SD unter der Norm) oder signifikante kombinierte Entwicklungs-verzögerung bei Kindern ≤ 2 Jahre
  • Epilepsie
  • Kopfumfang ≤ 10. Perzentile
Leistung mindestens 2 SD unter der Norm in:
  • Sprache
  • Fein-/Graphomotorik
    oder
    grobmotorische Koordination
  • räumlich-visuelle Wahrnehmung oder räumlich-konstruktive Fähigkeiten
  • Lern- oder Merkfähigkeit
  • exekutive Funktionen
  • Rechenfertigkeiten
  • Aufmerksamkeit
  • soziale Fertigkeiten oder Verhalten
Intrauterine Alkoholexposition bestätigt

Diagnose des Fetalen Alkoholsyndroms – FAS

Zur Diagnose eines FAS sollten alle Kriterien 1. bis 4. (die 4 diagnostischen Säulen des FAS) zutreffen:
1. Wachstumsauffälligkeiten,
2. faciale Auffälligkeiten,
3. ZNS-Auffälligkeiten
4. intrauterine Alkoholexposition.


Zu 1.
Zur Erfüllung des Kriteriums Wachstumsauffälligkeiten soll mindestens 1 der folgenden Auffälligkeiten zutreffen:

  1. Geburts- oder Körpergewicht ≤ 10. Perzentile
  2. Geburts- oder Körperlänge ≤ 10. Perzentile
  3. Body Mass Index ≤ 10. Perzentile.

Die gemessenen Körpermaße sollten an das Gestationsalter, Alter und Geschlecht adaptiert und auf Perzentilenkurven eingetragen werden.
Auch wenn die Kinder ihr Wachstum, z.B. in der Pubertät, aufholen, gelten in jüngerem Alter dokumentierte Verringerungen der Körpermaße als erfülltes Kriterium für FAS. Ebenso zählen ein Untergewicht und/oder ein Kleinwuchs in späterem Alter als erfülltes Kriterium auch wenn z.B. bei Geburt oder im Säuglingsalter durchschnittlichen Perzentilen dokumentiert wurden.
Es sollte ausgeschlossen werden, dass die Wachstumsstörung allein durch andere Ursachen wie familiärer Kleinwuchs oder konstitutionelle Entwicklungsverzögerung, pränatale Mangelzustände, Skelettdysplasien, hormonelle Störungen, genetische Syndrome, chronische Erkrankungen, Malabsorption, Mangelernährung oder Vernachlässigung erklärt werden kann.


Zu 2.
Zur Erfüllung des Kriteriums “Faciale Auffälligkeiten”
sollen alle 3 facialen Anomalien vorhanden sein:

  1. Kurze Lidspalten (mind. 2 Standardabweichungen unter der Norm = ≤ 3. Perzentile)
  2. Verstrichenes Philtrum (Rang 4 oder 5 auf dem Lip-Philtrum-Guide. Astley et al. 2004)
  3. Schmale Oberlippe (Rang 4 oder 5 auf dem Lip-Philtrum-Guide)

Die Lidspaltenlänge kann mittels eines durchsichtigen Lineals direkt am Patienten oder auf einer Photographie des Patienten mit Referenzmaßstab, z.B. 1cm großer, auf die Stirn geklebter Punkt, gemessen und in die verfügbaren Perzentilenkurven eingetragen werden (Abb. 1).

Abbildung 1:
Messung der Lidspaltenlänge von inneren (en) zum äußeren Augenwinkel (ex)
(© 2020 PD Dr. med. Dipl.-Psych. Mirjam N. Landgraf, Ludwig-Maximilians-Universität München)

Die Oberlippe und das Philtrum können anhand des Lip-Philtrum-Guide von Astley et al. quantitativ eingeordnet werden (Beispiele siehe Abbildung 2). Dabei gelten Messungen mit vier und mit fünf von fünf Punkten auf der Skala als pathologisch (https://depts.washington.edu/fasdpn/htmls/lip-philtrum-guides.htm).



Abbildung 2:
Verstrichenes Philtrum (links und Mitte Grad 4) und schmale Oberlippe (links Grad 4, Mitte Grad 5 Lip-Philtrum Guide von Astley) – rechts gute ausgebildetes Philtrum (Grad 2) und normal dicke Oberlippe (Grad 2 Lip-Philtrum Guide von Astley)
(© 2020 PD Dr. med. Dipl.-Psych. Mirjam N. Landgraf, Ludwig-Maximilians-Universität München)


Zu 3.
Zur Erfüllung des Kriteriums “Funktionelle ZNS-Auffälligkeiten“ sollte mindestens 1 der folgenden Auffälligkeiten zutreffen:
3.1. Funktionelle ZNS-Auffälligkeiten
3.2. Strukturelle ZNS-Auffälligkeiten

3.1.
Zur Erfüllung des Kriteriums „Funktionelle ZNS-Auffälligkeiten“
sollte mindestens 1 der folgenden Auffälligkeiten zutreffen,
die nicht adäquat für das Alter ist
und nicht allein durch den familiären Hintergrund oder das soziale Umfeld erklärt werden kann:

  1. Globale Intelligenzminderung mindestens 2 Standardabweichungen unterhalb der Norm
    oder
    signifikante kombinierte Entwicklungsverzögerung bei Kindern unter 2 Jahren
  1. Leistung mindestens 2 Standardabweichungen unterhalb der Norm in mindestens 3 der folgenden Bereiche
    oder
    in mindestens 2 der folgenden Bereiche in Kombination mit Epilepsie:
    • Sprache
    • Feinmotorik
    • Räumlich-visuelle Wahrnehmung oder räumlich-konstruktive Fähigkeiten
    • Lern- oder Merkfähigkeit
    • Exekutive Funktionen
    • Rechenfertigkeiten
    • Aufmerksamkeit
    • Soziale Fertigkeiten oder Verhalten

3.2.
Zur Erfüllung des Kriteriums „Strukturelle ZNS-Auffälligkeiten“
sollte folgende Auffälligkeit,
adaptiert an Gestationsalter, Alter, Geschlecht,
dokumentiert zu einem beliebigen Zeitpunkt,
zutreffen:
Mikrocephalie (Kopfumfang ≤ 10. Perzentile)


Zu 4.
Wenn Auffälligkeiten in den drei übrigen diagnostischen Säulen bestehen,
soll die Diagnose eines Fetalen Alkoholsyndroms auch ohne Bestätigung eines mütterlichen Alkoholkonsums während der Schwangerschaft gestellt werden

Diagnose des partiellen Fetalen Alkoholsyndroms – pFAS

Zur Diagnose eines pFAS sollen alle Kriterien 1. bis 3. (die 3 diagnostischen Säulen des pFAS) zutreffen:
1. faciale Auffälligkeiten,
2. ZNS-Auffälligkeiten
3. intrauterine Alkoholexposition.

Die Wachstum-Säule entfällt für die Diagnose des pFAS.


Zu 1.
Für die Diagnose des pFAS sollen zwei der drei, oben beschriebenen, facialen Auffälligkeiten, dokumentiert zu einem beliebigen Zeitpunkt vorhanden sein.


Zu 2.
Zur Erfüllung des Kriteriums “ZNS-Auffälligkeiten”
sollen mind. 3 der folgenden Auffälligkeiten zutreffen,
die nicht adäquat für das Alter sind
und nicht allein durch den familiären Hintergrund oder das soziale Umfeld erklärt werden können:

  • Globale Intelligenzminderung (mind. 2 SD unter der Norm) oder signifikante kombinierte Entwicklungsverzögerung bei Kindern ≤ 2 J.
  • Epilepsie
  • Mikrocephalie ≤ 10. Perzentile

Leistung mind. 2 SD unter der Norm in den Bereichen:

  • Sprache
  • Fein-/Graphomotorik oder grobmotorische Koordination
  • Räumlich-visuelle Wahrnehmung oder räumlich-konstruktive Fähigkeiten
  • Lern- oder Merkfähigkeit
  • Exekutive Funktionen
  • Rechenfertigkeiten
  • Aufmerksamkeit
  • Soziale Fertigkeiten oder Verhalten

Im Gegensatz zum FAS reicht beim pFAS das alleinige Vorliegen einer Mikrocephalie oder eine Intelligenzminderung nicht für die Diagnose aus.
Alle mit Aufzählungspunkten versehenen Bereiche gelten als gleichwertig für die Diagnosestellung.


Zu 3.
Die intrauterine Alkoholexposition sollte für die Diagnose eines pFAS bestätigt oder wahrscheinlich sein, um Über- bzw. Fehldiagnosen zu vermeiden.

Diagnose der alkoholbedingten entwicklungsneurologischen Störung – ARND – alcohol related neurodevelopmental disorders

Zur Diagnose einer ARND sollen die Kriterien 1. und 2. (die 2 diagnostischen Säulen der ARND) zutreffen:
1. ZNS-Auffälligkeiten
2. intrauterine Alkoholexposition

Die Säulen der Wachstums- und facialen Auffälligkeiten entfällt.


Zu 1.
Zur Erfüllung des Kriteriums „ZNS-Auffälligkeiten“
sollen mind. 3 der folgenden Auffälligkeiten zutreffen,
die nicht adäquat für das Alter sind
und nicht allein durch familiären Hintergrund oder das soziale Umfeld erklärt werden können:

  • Globale Intelligenzminderung (mind. 2 SD unter der Norm) oder signifikante kombinierte Entwicklungsverzögerung bei Kindern ≤ 2 J.
  • Epilepsie
  • Mikrocephalie ≤ 10. Perzentile

Leistung mind. 2 SD unter der Norm in den Bereichen:

  • Sprache
  • Fein-/Graphomotorik oder grobmotorische Koordination
  • Räumlich-visuelle Wahrnehmung oder räumlich-konstruktive Fähigkeiten
  • Lern- oder Merkfähigkeit
  • Exekutive Funktionen
  • Rechenfertigkeiten
  • Aufmerksamkeit
  • Soziale Fertigkeiten oder Verhalten


Zu 2.
Wenn ZNS-Auffälligkeiten vorhanden sind,
soll die Diagnose einer ARND bei bestätigtem mütterlichem Alkoholkonsum während der Schwangerschaft gestellt werden.

Diagnose der alkoholbedingten angeborenen Fehlbildungen – ARBD – alcohol related birth defects

Alcohol related birth defects (ARBD) soll in Deutschland,
wegen der fehlenden Spezifität der Malformationen und
der fehlenden Evidenz für ARBD als eindeutige Krankheits-Entität,
nicht als Diagnose verwendet werden.

SPZ mit FASD Diagnostik in Deutschland

Die Patientenvertretung FASD Deutschland e.V. hat eine Umfrage unter allen deutschen Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ) durchgeführt und erfragt, welche SPZ eine FASD-Diagnostik nach S3 Leitlinie durchführen. Die Ergebnisse der Selbstauskünfte finden Sie nach Bundesland geordnet unter dem folgenden Link.

Kernelemente eines FASD-Diagnose-Briefes

Die deutsche Kinder-FASD-Expertengruppe (bestehend aus: PD Dr. med. Dipl.-Psych. Mirjam Landgraf, Dr. med. Ute Mendes, Dr. med. Heike Hoff-Emden, Dr. med. Dorothee Veer, Dr. med. Kristina Kölzsch, Heike Wolter, Dipl.-Psych. Gela Becker, Lina Schwerg, Dr. Dipl.-Psych. Reinhold Feldmann) hat auf Wunsch externer KollegInnen ein Dokument zu empfohlenen Kernelementen eines Briefes zur FASD-Diagnostik erstellt. Das Dokument kann weniger erfahrene KollegInnen beim Verfassen einer ärztlich-psychologischen Stellungnahme hinsichtlich FASD bei Kindern und Jugendlichen unterstützen. Dabei fokussiert das Dokument auf Kernelementen für FASD – andere neurologische, psychologische und differentialdiagnostische Elemente sind nicht aufgeführt. Das Dokument hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzt nicht individualisierte weitere Untersuchungsbefunde, Arztbriefe, Stellungnahmen oder Gutachten. Die von der Expertengruppe entworfenen Kernelemente können Sie unter diesem Link einsehen.

Literatur (Auswahl)

  1. Landgraf MN, Nothacker M, Heinen F. Diagnosis of fetal alcohol syndrome (FAS): German guideline version 2013. Eur J Paediatr Neurol. 2013;17:437-46.
  2. Landgraf MN, Heinen F. Fetale Alkoholspektrumstörungen – FASD Diagnostik in der Kinder- und Jugendmedizin. Praxisguide der S3 Leitlinie. Monatsschrift Kinderheilkunde 2016. ePub ahead of print Oct 2016: http://link.springer.com/article/10.1007/s00112-016-0191-y.
  3. Landgraf MN, Heinen F. Fetale Alkoholspektrumstörung, FASD-Diagnostik, S3 Leitlinie Registernr. 022-025, https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/022-025.html